Wem schenken wir unser Vertrauen? Der Botschaft aus dem letzten Werbeclip oder der begeisterten Erzählung von Freunden? Rezensionen und Bewertungen aus der Interaktion mit Produkten und Services finden zunehmend Einzug in diverse Handelsplattformen und somit auch in unsere Herangehensweise an jedes Produkt oder Service.
Marketingtrends
Die Werbebranche durchlebt einen Wandel. Zu den bislang meistgenutzten und branchenüblichen Methoden, die sich zumeist auf Techniken des vertikalen Marketings beriefen, kommt mit immer stärkerer Durchschlagkraft das horizontale Marketing hinzu.
Grund dafür ist unter anderem unser verändertes Kommunikations- und Mitteilungsverhalten. Die Folge: vertikales Marketing allein kommt nicht mehr bei der Zielgruppe an. Botschaften, die rein absatzorientiert über Anreizschaffungen versandt werden, wie etwa eindeutige Werbebotschaften auf Bannern und in Mailings oder den beliebten „Augenhöhe-Regalplätzen“ im Supermarkt oder Kooperationen zwischen Dienstleistern und Handel, kommen kaum gegen die Macht der Meinung an.
Wir hören auf die Empfehlung unserer Freunde! Vermutlich gehen hier Entwicklungen in der Kommunikationstechnologie, die Informationsüberflutung und die dementsprechende Rückbesinnung auf uns bekannter Gesichter und Stimmen, Hand in Hand.
Fakt ist: Markenidentitäten und deren Botschaften bleiben weiterhin enorm wichtig, doch die Empfehlung ist ursächlich für Produktentscheidung und -Kauf.
Diese Erkenntnis ist vor allem bei digitalen Services, die von der Interaktion mit ihren Kunden und Nutzern leben, eine wichtige. Sie ist ein weiteres Argument für die Relevanz des User Engagements in der Entwicklung dieser.
Je mehr die Hersteller digitaler Produkte ihre User von ihrem Produkt überzeugen, sie einbinden und aktivieren, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass bei den Nutzer:innen Begeisterung für den Service aufflammt und diese das Produkt weiterempfehlen.
Kurz: Mehr User Engagement = weniger Marketingaufwand!
Customer Journey vs. User Journey
Damit ein nachhaltiges User Engagement entsteht, muss die User Journey entsprechend gestaltet sein.
Doch Achtung, die User Journey ist nicht gleich die Customer Journey (siehe Beitrag Kunde vs. Nutzer), denn selbst wenn die Bezeichnungen beinahe konvertibel in der Branche gebraucht werden, gibt es kleine, aber nuancierte Unterschiede, die sich vor allem auf die Touchpoints des Users mit dem Service herunterbrechen lassen.
Während sich die Customer Journey in folgende Schritte gliedern lässt:
- Erzeugung von Awareness anhand gängiger Marketingmaßnahmen
- Unterstützung einer Entscheidungsphase
- Nutzungsphase
- Phase des Abstoßens des Produkts/Services
umfasst die User Journey die Interaktion von Nutzer:in und Service in allen Phasen. Zu betonen dabei: immer aus der Sicht des Nutzers! Die User Journey sollte kontextorientiert angelegt sein und sich an der Frage ausrichten, wie das Produkt die User abholen muss, damit diese von der Kaufentscheidung in eine kontinuierliche Nutzung des Services gezogen werden.
Die User Journey umspannt demnach weit mehr als die Customer Journey. Denn digitalen Produkte leben von einer ständigen Interaktion mit ihren Nutzer:innen. So lässt sie sich im Unterschied zur Customer Journey in folgende Schritte gliedern:
- Anbahnung – Wie finden die Nutzer:innen zu unserem Service?
- Onboarding – Wie gestalten wir den Nutzer:innen den Einstieg in unseren Service?
- Accountanlage – Wie sichern sich die Nutzer:innen den „Fortschritt“ in unserem Angebot?
- Nutzung – Wie finden sich die User zurecht? (Anm.: An diesem Punkt setzt das User Engagement an)
- Support – Wie wird den Nutzer:innen geholfen, wenn etwas nicht funktioniert?
- Verabschiedung – Wie können die User unseren Service verlassen?
Herausforderungen in der Umsetzung
Eine große Herausforderung in Gestaltung und Umsetzung der User Journey ist die Koordination aller beteiligten, entwickelnden Parteien. Insbesondere für große Unternehmen ist es schwierig eine entsprechende Konsens-Koordination zu leisten, wenn viele unterschiedliche Verantwortliche und Abteilungen an einem Produkt arbeiten.
Hilfreich ist hierbei eine User Journey-Analyse, um die Abbruchstellen der User (in welchen Momenten gehen User verloren?) zu identifizieren.
Damit alle Abteilungen, von Produktentwicklung über Software, Design und Marketing, das gleiche Ziel verfolgen, ist es besonders wichtig von vornherein für eine Struktur zu sorgen, die diese Schnittstellen miteinander in Kommunikation treten lässt. Alle verfolgen das Ziel der „ununterbrochenen User Journey“.
Schlussfolgerungen für das User Engagement
Doch nur, weil eine flüssige und funktionale User Journey kreiert wurde, heißt das noch lange nicht, dass die Nutzer:innen anhaltend von unserem Produkt begeistert sind.
Der Autor und Behavioral Designer Nir Eyal hat zum diesem Thema ein Modell entwickelt, welches er in seinem Werk „Hooked“ vorstellt. Seine Auseinandersetzung mit User Engagement stützt sich auf Erkenntnisse aus Psychologie und sozialem Verhalten des Menschen: https://www.nirandfar.com/hooked/
Anhand verhaltenspsychologischer Ansätze hat Nir Eyal ein Framework erschaffen, welches zeigt, wie und warum einige manche digitale Services & Produkte den Menschen abhängig oder gar süchtig machen. Sein „Hooked“-Modell erklärt welche (verhaltens-) psychologischen Techniken digitale Services sich zu nutze machen, um Einfluss auf unsere Gewohnheiten nehmen zu können. (Anm.: Erst kürzlich veröffentlichte Nir Eyal sein neues Werk „Indistractable“, welches aufzeigt, wie wir diesen Techniken entkommen können)
Nir Eyal’s Modell folgend entsteht User Engagement in vier Phasen:
Mit unserer Erweiterung um Onboarding betrachten wir User Engagement entlang folgender Phasen:
- Onboarding-Phase – Wie können wir die User in der Eingewöhnungszeit „an die Hand nehmen“?
- Nutzungsphase – Wie gestalten wir den Kreislauf von Trigger – Handlung – Belohnung?
- Entwicklungsphase – Was haben die User von einer kontinuierlichen Nutzung unseres Produkts?
Fazit
User Engagement ist als eine unsichtbare Ebene zu verstehen, bestehend aus der Interaktion zwischen digitalem Produkt und seinen Usern. Einzelne Mechanismen bringen die User dazu mit einem Produkt zu interagieren und es immer wieder zu nutzen. Diese sind aber auch die Stellschrauben für Begeisterung und die Auslöser einer Weiterempfehlung. Es gibt unzählige Möglichkeiten und Mechanismen in diesem Spektrum dies zu erreichen.
In den nächsten Folgen des Podcasts stellen wir die unterschiedlichen Facetten vor. Ob ein digitaler Service erfolgreich ist oder nicht, entscheiden diese Kleinigkeiten.
Die Nuance macht’s!