Digitale Services können uns den Alltag erleichtern, Arbeitsvorgänge simplifizieren und vieles mehr. In den meisten Fällen sind sie von Seiten der Entwickler und Unternehmen jedoch vor allem, an eines gebunden: An die Hoffnung auf eine profitable Geschäftsidee. Eine Geschäftsidee, die entweder eine neue Form der Kundenbindung darstellt oder dafür sorgt mit dem „Zahn der Zeit zu gehen“ und ganz nebenbei auch noch die Kasse klingeln lässt.

Über die letzten Jahrzehnte hat sich, aufgrund rasanter, technischer Entwicklungen und der damit einhergehenden Möglichkeiten Businessmodelle selbst aufzuziehen, ein neues Mindset entwickelt. Dieses beinhaltet Digitalität als ein unabdingbares Muss. Doch der einfache Zugriff auf digitales Gut, lenkt von der Ambivalenz ab, die sich dahinter verbirgt, denn digital ist nicht gleich digital. Ganze Abteilungen beschäftigen sich mit der digitalen Anpassung, um dem Zeitgeist zu entsprechen. Der Druck des Zeitgeistes ist groß. Der Markt wird dominiert von Best Practices, die sich scheinbar aus dem Nichts als digitale Leader herauskristallisiert haben. Instagram, Netflix, Amazon, Spotify, Facebook, Google und Tinder, um ein paar Beispiele zu nennen, hatten und haben einen radikalen Einfluss auf die Gewohnheiten, mit denen wir unseren Alltag beschreiten, Informationen konsumieren und miteinander kommunizieren.

Studien zeigen, dass wir nur acht Apps auf unserem Smartphone regelmäßig in Gebrauch haben. Installiert haben wir allerdings eine weitaus größere Zahl. Diese „Big Eight“ können zwar periodisch wechseln, dennoch hat es jede Anwendung, die es nicht in die regelmäßige Nutzungsangewohnheit schafft, erheblich schwerer zu bestehen. Services, wie Instagram, Spotify oder Twitter sind zu unseren täglichen Begleitern geworden. Denn diese Anwendungen haben in unsere Gewohnheiten eingegriffen. Sie sind für Alltag und Routinen maßgeblich geworden, indem sie uns ansprechend suggeriert und gezeigt haben, wie angenehm der Alltag mit ihnen werden kann.

Nuancen entscheiden über Erfolg und Misserfolg im Wettbewerb. Der entscheidende Faktor für den Erfolg von digitalen Produkten und Services ist User Engagement. Ein Attribut, das wir als Mechanismus in der Interaktion zwischen digitalem Produkt und analogen Menschen verstehen, vorzustellen wie eine unsichtbare Ebene zwischen Code und Usability. User Engagement ist die Interaktion des Nutzers mit dem Service. Umso stärker der User mit einem Produkt involviert ist, desto erfolgreicher ist es. Dabei bewirkt die Bindung an den Service eine häufigere Nutzung; im Umkehrschluss etabliert sich eine neue Gewohnheit.

Maßgeblichen Einfluss auf ein gesteigertes User Engagement hat die Unterscheidung von Kunde und Nutzer. Bereits von der ersten Konzeptionierungsphase an, sollte das Benefit für den User als Ziel der Anwendung feststehen. Nach dieser Maxime sollte der Service sich aufbauen. Es erfordert Mut sich zunächst keine Gedanken, über die Monetarisierung des Produktes zu machen, ist jedoch Teilrezept zum Erfolg. Denn letztlich sind digitale Anwendungen für uns analog denkende Menschen gedacht und nicht für nach Algorithmen funktionierende Maschinen. Hier machen viele Firmen den entscheidenden Fehler. Sie konzipieren einen Service, den sie dabei nach KPI’s und Warenkorbgrößen ausrichten. Sie handeln aus der Position heraus: „Wir als Firma möchten etwas von dem Nutzer“. Der Nutzer, wir als Privatpersonen, denken jedoch entgegengesetzt: Wir wollen einen Nutzen aus der Anwendung ziehen. Dieser Dissonanz müssen die Unternehmen vorbeugen, indem sie sich direkt auf die Herangehensweise der Nutzer konzentrieren.

Illustriert von Johanna Bauchspieß

Hilfreich, um die KPI-Denkstruktur abzulegen, ist das Kunde-Nutzer-Prinzip aus dem Eltern-Kind-Schemata heraus zu betrachten. Die Eltern sind die zahlenden Kunden, doch das Kind der eigentliche Nutzer des Services. Dementsprechend muss das Kind derart begeistert werden (es muss Nutzen sowie Benefit des Services auf Anhieb verstehen), als das sich die Begeisterung auf die Eltern überträgt. Nur so ist gewährleistet, dass diese die jeweilige Summe für den Service „im Auftrag“ ihres Kindes bezahlen. Es wird deutlich, dass die Eltern (der zahlende Kunde) erst im zweiten Schritt eine Rolle spielen. Sie werden über die Ebene des Kindes für den Zahlvorgang aktiviert. Der erste Schritt muss sein das Kind von der Nutzung zu überzeugen. Dieses veranschaulichende Prinzip lässt sich auf den Fall übertragen, wenn Kunde und Nutzer dieselbe Person sind: Zunächst muss der „Nutzer-Part“ im Menschen überzeugt werden (das Kind im Nutzer). Erst im zweiten Schritt geht es darum dem „Kunden-Part“ im Menschen (dem Erziehungsberechtigten im Nutzer) ein Angebot zu schaffen

Eltern-Kind-Prinzip

Illustriert von Johanna Bauchspieß

Wird das User Engagement als Mechanismus bereits in der Konzeptionsphase des digitalen Services anhand der Unterscheidung von Kunde und Nutzer in Gang gesetzt, so bauen spätere Entscheidungen auf dieser Maxime auf. Der analog denkende Mensch als Zielperson steht im Vordergrund der Entwicklung. Eine Nuance im Prozess, die den Erfolg eines digitalen Service maßgeblich bestimmt.