Warum benutzen wir Stifte? Wieso essen wir? Warum springen wir an einem heißen Tag ins kühle Nass? Warum benutzen wir die Lieferservice-App und laden Fotos online auf eine Social Media Plattform?

Die Antwort ist simpel wie komplex: Der analog denkende Mensch will belohnt werden!

Action-Reward-Modell

Wir Menschen wirken nach einer Reaktionskette: Trigger à Handlung à Belohnung.

Ein Reiz bringt uns dazu eine bestimmte Handlung zu vollführen, auf die wir dann eine Reaktion erwarten. 

Menschen machen demnach nichts ohne Grund. Für jede unserer Handlungen wünschen wir eine Belohnung. Das ist psychologisch erklärbar, denn würde die Belohnung ausbleiben so entfiele auch die Motivation die vollführte Handlung zu wiederholen.

Eine Belohnung muss nicht monetär sein und auch uns auch nicht vom Hocker hauen, weil sie so aufregend, neu oder besonders ist. Ein simples Feedback auf die ausgeführte Aktion ist ausreichend. Dieses kann positiv oder sogar negativ ausfallen. Wichtig ist, dass etwas passiert.

Das psychologische Modell, das unseren Handlungen zugrunde liegt, ist das Action-Reward-Modell. Die Motivation eine Handlung auszuführen, bleibt dadurch bestehen, dass ein Feedback auf unsere Aktion stattfindet.

Instant Gratification

Digitale Produkte haben die Eigenschaft und vor allem die Möglichkeit eine direkte Reaktion auf unsere Aktionen auszulösen. Sie kürzen den normalen Zyklus des Action-Reward-Modells ab, denn sie bauen auf das Prinzip der Instant Gratification.

Instant Gratification ist das Gegenteil von dem, was uns jahrelang als Menschheit und der Gesellschaftsform, in der wir heute leben, beigebracht wurde: Harte Arbeit und Ausdauer führen zu einem Ergebnis – nur so kann eine Befriedigung unserer Bedürfnisse erreicht werden.

Apps, Social Media Portale und andere digitale Services reagieren jedoch direkt auf unsere Klicks, unsere Stimme und unsere Uploads. Sie bieten uns generell  die Möglichkeit etwas hochzuladen, eine Bestellung aufzugeben ohne anzurufen oder unser Profil mal eben zu verändern – kurz: sie können unsere Bedürfnisse direkt erfüllen und uns sofort belohnen.

Geduld ist kaum gefragt.

Doch stoppt der Wunsch nach einer Belohnung nicht. Die Spirale aus Trigger und Belohnung schraubt sich konstant weiter. Das angenehme Gefühl der Bedürfnisbefriedigung wird ständig reproduziert – es birgt regelrechtes Suchtpotenzial. Eine Dopamin-Ausschüttung zu erreichen, ist mit digitalen Produkten ein Leichtes geworden.

Verkürzung des Erwartungszeitraums

All das hat Einfluss auf unser Handeln und unsere Erwartungen an digitale Services. Sie müssen bedacht werden, denn bleibt die Belohnung aus, verlieren die Nutzer:innen das Interesse.

Grund dafür ist, dass Dopamin ein Neurotransmitter ist. Ein Botenstoff des Gehirns, der motivations- und antriebssteigernde Effekte hat und somit Grundlage des Belohnungseffektes ist.

Mittlerweile sind wir sind es gewohnt, auf beinahe jede Aktion eine direkte Response zu erhalten.

Es braucht zunehmend weniger Einsatz und Aufwand, um Glücksgefühle und somit den Belohnungseffekt herzustellen. Doch auch hier sind Nuancen gefragt, denn die bloße Erfüllung einer Erwartung schafft noch keinen tollen Moment mit App oder Service.

Anschaulich beschreiben, lässt sich das am Beispiel des persönlichen Wunsches nach Anerkennung eines jeden von uns:

Noch vor einigen Jahren musste vergleichsweise viel Aufwand betrieben werden, um ein Kompliment und somit Anerkennung zu bekommen. Ein tolles Outfit, gepflegtes Aussehen, eine gute Tat, die richtige Prise Humor und letztlich der Gang nach draußen unter die anderen Menschen. Denn nur diese sind, indem sie uns ein Kompliment aussprechen, in der Lage die erhoffte  Belohnung für all die Mühen von zuvor zum Ausdruck zu bringen.

Womöglich mussten sogar ein Gespräch begonnen und Informationen ausgetauscht werden. Ein immenser Aufwand im Vergleich zu dem kurzen Zyklus, den uns die Instant Gratification der App Instagram bietet: Das Öffnen der App, der Upload eines Fotos und ein nettes Emoji genügen – der Upload wird mit der Welt geteilt. Likes und Feedbacks sind zumeist nur eine Sache von Minuten.

Die erwartete Zeit, die wir auf eine Belohnung warten, sinkt.

Allerdings zeigt sich inzwischen, dass auch die Zeit, die wir auf eine Belohnung warten, eine Auswirkung auf das Empfinden gegenüber der Belohnung hat. Das „Hinfiebern“ erweist sich zunehmend als positiver Faktor auf den Wert, den wir einer Belohnung zusprechen.

Belohnungsarten

Dass die erwartete Reaktionszeit zwischen Aktion und der Erfüllung unseres Wunsches gesunken ist, heißt jedoch nicht im Umkehrschluss, dass der Schlüssel zum Erfolg digitaler Services die Instant Gratification ist. Im Gegenteil, es ist wirkungsvoller mit der Erwartungshaltung zu spielen, um ein hohes User Engagement zu erwirken.

Allgemein gibt es drei Arten der Belohnung. Ratsam ist, möglichst alle drei Dimensionen dieser Belohnungsformen einzubauen. Auswertungen des User Engagements erfolgreicher Apps zeigen, dass es die Kombination dieser drei Formen ist, die digitale Services erfolgreich machen.

  1. Belohnung der Jagd
    Hier geht es um das Suchen und Sammeln von Trophäen. Eine errungener Pokal, ein erkämpfter Punkt, das nächste Level, ein virtuelles Abzeichen und Leaderboards sind Möglichkeiten, wie der Jagdtrieb belohnt werden kann. Doch Vorsicht, hier geht es nicht ausschließlich um das Sammeln der Punkte. Auch der Weg dahin (der Ablauf der Jagd) hat einen Einfluss darauf, wie wertvoll eine Belohnung von uns empfunden wird. Ein wertvoller Buchtipp an dieser Stelle ist „Actionable Gamification“ von Yu-Kai Chou, welcher eine starke Sammlung an Werkzeugen und Tipps zum Thema zusammengestellt hat.
Trophäen
  1. Belohnung des Stammes (Community)
    Die Digitalität erweitert die Palette der Möglichkeiten, auf welche Art wir mit der Anerkennung unserer sozialen Gruppe oder Community belohnt werden können. Zunächst gibt es eine Vielzahl an Methoden digital Gruppen zu bilden. Sogar über große Entfernungen eine Mitgliedschaft realisiert werden.
Anerkennung

Jede Community kann ihre eigenen Regeln aufstellen, wie und in welcher Form Titel erworben und vergeben werden. Ein Like, ein Daumen nach oben, ein Herz – dies sind klassische Formen, die die Anerkennung der Gruppe visualisieren und für die User erlebbar machen. Aber auch der Status und der Austausch darüber, wirken im eigenen Stamm belohnend. „Häuptlings“-Titel, wie Head of…, Master of … und andere werden gerne zur Schau gestellt, denn sie lösen Bewunderung aus.

  1. Belohnung des Selbst
    Der Fortschritt innerhalb des digitalen Angebots ist Ausdruck für die Belohnung des Selbst. Hierbei geht es mitnichten um die Selbstverwirklichung im allumfassenden Ausmaß, sondern darum den Nutzer:innen die Möglichkeit zu geben sich in der Aufgabe, die der Service bietet, zu verbessern. Der Drang des Menschen „nach vorne zu kommen“, wird bedient. Digitale Produkte können Fortschritt sehr gut visualisieren. Neben den Klassikern, wie Level, Punkte und Fortschrittsbalken, gibt es unzählige kreative Möglichkeiten das persönliche Verbessern für die User erlebbar zu machen.

Achievement

Vor allem die Abwechslung dieser drei Belohnungsvarianten, macht die Nutzung des Services spannend.

Fazit

Bietet die App oder der Service den Nutzer:innen eine Belohnung an, entsteht die wiederkehrende Motivation mit dem Service/der App in Aktion zu treten. Diese Belohnung muss nicht zwingend positiv und nur auf einer Ebene stattfinden – es reicht, wenn die Nutzer:innen erleben, dass auf ihre Interaktion mit dem Service etwas passiert.

Ein hohes User Engagement entsteht, wenn mit der Erwartungshaltung der User gespielt wird.

Wichtig ist, darauf zu achten, dass alle drei Formen der Belohnung variabel und dynamisch wechselnd und, wenn möglich, unvorhersehbar eingesetzt werden. Die User mit einer Belohnung zu überraschen, sorgt für ein höheres User Engagement.
Was das für die Entwicklung digitaler Produkte nach Kundenbedürfnisse bedeutet? Lest es nach oder hört es euch an in „Nuance 01 – Kunde vs. Nutzer“.