Die vergleichsweise geringen Markteintrittsbarrieren im Bereich digitaler Services öffnen den Wettbewerb. Es ist mit wenig Aufwand möglich mit einem eigenen Produkt am Wettbewerb teilzunehmen. Das sorgt dafür, dass die Anzahl der angebotenen Services und Apps immens und der Konkurrenzdruck beachtlich ist. Du hast Dir vorgenommen mehr Sport zu treiben? Die Wucht der Workout-Apps abzufangen, die auf Dich einprasselt, ist beinahe eine eigene Sportart. Du möchtest deine liebsten Fotos witzig bearbeiten? Die Lust vergeht Dir vermutlich, bis Du die eine App gefunden hast, mit der Du die Effekte erzielen kannst, die Dir vorschweben.

Wechselbarrieren schaffen

Um der Abwanderung von Usern zu einem Konkurrenzprodukt entgegenzuwirken, braucht es ausreichend hohe Wechselbarrieren. Das wichtigste Stichwort in diesem Zusammenhang ist: Investment.

Die eigene Investition der Nutzer:innen in eine App oder einen Service bewirken einen Bindungseffekt: Je mehr Zeit für Pflege, Daten und Inhalt die Nutzer:innen investieren, desto eher sind sie geneigt die App zu behalten und weiterzunutzen. Eine langfristige Bindung wird generiert.

Das Praktische dabei ist: Es sind keine Abonnements notwendig, die die User an das Produkt binden. Im Gegenteil, aufgrund der Investition in die App, entsteht eine emotionale Bindung zum Service. Diese ist deutlich schwerer zu brechen als ein „Zaun“ mit Kündigungsfrist. Hinzukommt, dass die Investitionen nicht mal an einen konkreten Zahlenwert gebunden sein müssen. Denn Studien haben gezeigt, dass das „Selbstgemachte“ (sozusagen Schöpfungen mit DIY-Spirit) von uns Menschen als wertvoller empfunden werden, als der eigentliche materielle Wert angeben würde. Dieser Effekt wird auch IKEA-Effekt genannt.

Anwender:innen müssen die Vorteile der (Weiter-) Nutzung eines Services verstehen, damit das Interesse bestehen bleibt und ein Wechsel als „zu aufwendig“ empfunden bzw. gar nicht erst in Erwägung gezogen wird. 

Investment belohnen

Welcher Art das Investment, dass Nutzer:innen leisten auch sein mag, wichtig ist, dass eine langfristige Nutzung angemessen belohnt wird.
Sinnvollerweise, sollte die Aktion mit einer Belohnung hinterlegt sein, die von den Nutzer:innen eingefordert wird, damit das Investment zeitgleich als Belohnung empfunden wird.

Werden beispielsweise bestimmte persönliche Daten oder die Angabe gewisser Präferenzen für die Nutzung gefordert, so müssen die User verstehen, welche Benefits ihnen diese Angaben (Investitionen) bringen, um sich im gleichen Zuge mit der versprochenen Aktion belohnt zu sehen. Möglicherweise ist im Resultat der Bezahlvorgang schneller, die gewünschten Lieblingsrestaurants werden direkt angegeben, wenn Essen bestellt werden soll oder die App kann gezielt beim Fasten unterstützen, weil die Essgewohnheiten und –Zeiten bekannt sind. Die Nutzung des Services wird intuitiv.

Der Clue ist, umso mehr Daten, Arbeit und Zeit die User in den Service investieren, desto eher sind sie geneigt dem Service treu zu bleiben.

Investment erleben

Damit all das auch funktioniert, muss die getätigte Investition den Nutzer:innen vor Augen geführt werden. Das Investment muss sicht- und erlebbar sein, um ständig daran erinnert zu werden, welche „Arbeit“ bereits investiert wurde. Das kann, wie bei Instagram, sein, dass die Anzahl der Likes und Follower eine Rolle spielen und auch symbolisch mitgeteilt werden oder aber spezielle Features, die freigeschaltet werden, wenn eine bestimmte Nutzungsintensität vorhanden ist.
Dieser Wert kann einen virtuellen Bezug haben oder auch Überschneidungen mit der Realität finden. Manche Apps schaffen eine Überschneidung beider Aspekte, wie beispielsweise Spiele-Apps. Dort gibt es häufig die Möglichkeit entweder eine bestimmte Menge an z.B. Münzen selbst zu erspielen oder für einen gewissen Betrag (Investment!) zu erwerben. Oder auch, das Sammeln von Meilen, welche dem persönlichen Meilenkonto gutgeschrieben werden und die direkt in einen Discount oder zusätzliche Benefits umgewandelt werden können. Semi-reale Werte wären zum Beispiel LinkedIn oder Xing Kontakte.

Weiterhin müssen die User regelmäßig, aber nuanciert, dazu aufgerufen werden neue kleine Investitionen zu leisten, damit der Effekt aufrecht gehalten wird.

An dieser Stelle schließt sich der Kreis zum Thema „Trigger setzen“ (siehe Nuance 03). Denn mit den richtigen Triggern kann gezielt, das notwendige Grad an Investment durchgehend eingefordert werden.

Identifikatoren für Investment

Die nachstehenden Identifier für Investment zeigen das Spektrum an Möglichkeiten auf, dass besteht, um die User aktiv in die Nutzung des Services einzubinden:

  • Persönliche Identifikationsmerkmale (Telefonnummer, Username, Mailadresse u.v.m.); manchmal sogar inklusive persönlicher Zahlungsdaten, wie etwa die Kreditkartennummer
  • Hervorhebung des Investments verbunden mit der subtilen Botschaft, wie viel reibungsloser und schneller der Service nun funktioniert
  • Personalisierung anhand einer Profileinstellung, sodass Algorithmen dafür sorgen können, dass nur relevante Informationen angezeigt werden
  • Soziales Umfeld mit einer Followerschaft oder einem personalisierten Newsfeed, sodass das Gefühl eines virtuellen „Support-Umfelds“ aufkommt
  • Vorführung des Sammeleffekts indem seriell aufgebaut die „Errungenschaften“ visibel sind beispielsweise eine Bildergalerie, wie bei Instagram

Bonus:

Wer es richtig wissen möchte, kann zusätzlich zu den anderen Identifikatoren einen impliziten Druck auf die Nutzer:innen ausüben.

  • Druckaufbau durch Verluste einiger Investitionselemente mit jedem ungenutzten Tag. Wichtig ist dabei, aus unserer Sicht, dies ausschließlich im Sinne der Nutzer:innen einzusetzen. Dies ist bspw. dann der Fall, wenn die User durch Download der App ihre Einstimmung gegeben haben, dass sie bei der Erreichung eines bestimmten Vorhabens unterstützt werden wollen (z.B. mehr Wasser trinken, mit dem Rauchen aufhören, mehr lesen o.ä.).

Bestenfalls beginnt der Aufbau von Investitionen bereits in der Onboarding-Phase. Der Lock-in Effekt sollte von Beginn an mittels Investment greifen. Das gelingt, über eineEmotionalisierung der Nutzer:innen: Ein individueller Accountname funktioniert eher als eine E-Mail Adresse, ein nachempfundener Avatar der Nutzer:innen sorgt für mehr Bindung, als ein weibliches oder männliches Standardbild, ein Abzeichen macht stolzer als eine Nummer usw.

Zusammenfassung: Arten von Investment

  • Sammeln: Alles, was Nutzer:innen ansammeln können, erhöht den persönlichen Wert. Das aufgebaute möchte nicht verloren werden.
  • Dashboard mit Leistungsindikatoren: Eine Darstellung des Fortschrittberichts, der angesammelten Werte oder Followerschaft visualisiert den möglichen Verlust bei Wechsel des Services.
  • Status und Ranking: Die Auszeichnung mit Merkmalen für besondere Leistungen/Aktivitäten innerhalb des Services schaffen einen emotionalen Wert und somit eine Wechselbarriere.
  • Virtuelle Währung: Ähnlich dem Status belohnt eine Währung den Einsatz innerhalb der App.
  • Daily Streaks mit Freischaltungen zu mehr Leistungen: Aufgaben, die von der Anwendung gestellt werden und dafür sorgen, dass täglich eine Nutzung stattfindet.
  • Begrenzte Verfügbarkeiten: Mit der Eingrenzung des Zeitraums nur Nutzung bestimmter Inhalte erhöht sich die Wahrscheinlichkeit für eine häufigere Nutzung der App.

Let’s invest!

It’s nuances that make the difference!